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2016 erreichten die Angriffe auf Flüchtlinge in Deutschland einen neuen Rekord
2016 registrierte das Bundesinnenministerium in Deutschland 3.533 Angriffe auf Flüchtlinge. Das ist ein neuer Rekord, der sogar den Rekord von 2015, als die Flüchtlingskrise ihren Höhepunkt erreichte, noch übertrifft. 988 dieser Angriffe waren gegen Flüchtlingsunterkünfte gerichtet.
In demselben Jahr begingen gewalttätige Extremisten über 12.500 Vergehen, von denen nach vorläufigen Zahlen etwa 1.000 Gewaltverbrechen waren. Das entspricht einer Zunahme von 20 Prozent im Vergleich zu 2015. Die zunehmende Feindseligkeit ist nicht nur ein Zeichen für immer mehr Ressentiments gegen Ausländer, sondern auch gegen die derzeitige Regierung.
Die große Mehrheit der Deutschen hieß die einströmenden Flüchtlinge willkommen und tat ihr Bestes, um sie in die Gesellschaft zu integrieren. Aber es ist eine wachsende Minderheit, die sich lautstark Gehör verschafft und so zu einer Veränderung der Mentalität beiträgt. Sogar Leute, die den Flüchtlingen helfen wollten, wurden zur Zielscheibe des Hasses. Mehr als 200 Mitglieder von Hilfsorganisationen oder auch Freiwillige wurden 2016 von feindseligen Bürgern attackiert. Und was es noch schlimmer macht: Nur wenige dieser Verbrechen werden überhaupt verfolgt.
Iris Gleicke, die Beauftragte für ostdeutsche Angelegenheiten beschrieb dieses Phänomen in einem Interview mit dem Tagesspiegel, in dem sie sagte:
So etwas geschieht, wenn sich die schweigende Mehrheit nicht auf die Seite derer stellt, die für Demokratie und gegen Ausgrenzung eintreten. Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen und Zivilcourage beweisen, werden bedroht und erhalten keinen Rückhalt in der Nachbarschaft. So etwas zerreißt nicht nur die Gesellschaft.
Die rechtsextremistische Kriminalität ist in Ostdeutschland besonders hoch. Auch wenn es nicht gerade der Brennpunkt der Flüchtlingskrise ist und nur etwa ein Viertel der Bevölkerung ausmacht, ist es doch für die Hälfte der rechtsextremistischen Vergehen verantwortlich.
Die Washington Post warnte vor der zunehmenden Gewalt in dem Artikel: „In Deutschland blüht rechtsextremistische Gewalt inmitten einer Welle von Hass im Internet“:
„Es ist ein internationales Phänomen, dass gewisse Leute behaupten, es seien Verschwörungen im Gange; Leute mit antisemitischem Weltbild, die gegen Moslems, Einwanderer und auch gegen die Bundesregierung sind“, sagte Jan Rathje, ein Projektleiter bei der Stiftung Amadeu Antonio, die rechtsextremistische Gewalt studiert.
Wir haben den Punkt erreicht, an dem es nicht mehr nur Worte sind“, schreibt er weiter. „Diese Denkweise führt zur Gewalttätigkeit.”
Wenige Länder sind so anfällig für rechtsextremistische Gewalt wie Deutschland – ein Land, in dem antisemitischer Hass zur Triebfeder der Nazi-Ideologie wurde, was schließlich zum Holocaust führte.
Trotzdem nehmen gerade hier die Angriffe rechtsradikaler Randgruppen immer mehr zu. …
Die Amtsträger sagen, dass es das letzte Mal so viele Übergriffe Anfang der 1990er Jahre gab, als in Deutschland als Folge der Wiedervereinigung die Aktivität der Neonazis stark, aber nur für kurze Zeit zunahm. Die Behörden sagen, dass die augenblickliche Welle der Gewalt teilweise von der Ankunft von fast einer Million meist muslimischer Asylbewerber in Deutschland ausgelöst wurde. Im letzten Jahr gab es jeden Tag fast zehn Angriffe auf Flüchtlinge, die von Vandalismus bis zur Brandstiftung und zu heftigen Prügelattacken reichten.
Von Seiten der Behörden wird auch festgestellt, dass eine immer größere Zahl von Websites mit Verschwörungstheorien, hochbrisanten gefälschten Nachrichten und rechtsextremen, gegen die Regierung gerichteten Aktivitäten viel dazu beigetragen haben. …
Die zunehmende Feindseligkeit Ausländern gegenüber offenbart sich auch in der Ablehnung der gegenwärtigen Regierung. Bewegungen wie die „Reichsbürger“, die die Befugnis der deutschen Bundesregierung leugnen und ein antisemitisches Weltbild teilen, haben immer mehr Anhänger, werden immer gewalttätiger und verbreiten ihren Hass immer wirkungsvoller im Internet. Manche dieser Reichsbürger behaupten, die letzte legitime Regierung sei die Adolf Hitlers gewesen.
Im letzten Jahr nahm auch die neue Partei Alternative für Deutschland stark zu, denn tausende Wähler sind angetan von ihrer Ausländerfeindlichkeit. Jeder geglückte terroristische Anschlag stärkt das Vertrauen in diese Parteien.
Diese beiden Gruppierungen haben eins gemein: Die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Regierung. Diese lärmende Minderheit versucht nun, die schweigende Mehrheit davon zu überzeugen, dass die jetzige Regierung sich nicht mit ihren Sorgen befasst. Selbst wenn diese Minderheit scheitern sollte, fördert doch die zunehmende Gewalt das Klima der Ungewissheit in Deutschland. Die nächsten Bundestagswahlen in Deutschland finden im September statt. Die Partei, die sich am meisten mit diesen Sorgen befasst, wird diese Wahl gewinnen. Deutschland steht vor dem Problem einer geteilten Gesellschaft. Man kann davon ausgehen, dass ein Verlangen nach einem starken Anführer besteht, der in der Lage ist, sich der Sorgen der Leute anzunehmen. ▪