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Der Zweite Weltkrieg und Hitlers Papst (Vierter Teil)
Fortgesetzt von Der Zweite Weltkrieg und Hitlers Papst (Dritter Teil)
Die Rattenlinien
Die Unterstützung des Vatikans für Nazideutschland ging weit darüber hinaus, Hitler nur zur Kanzlerschaft zu verhelfen und dann auch seine Mordtaten zu verteidigen und zu unterstützen. Historische Aufzeichnungen zeigen, dass gegen Ende des Krieges, als ein Sieg der Achsenmächte immer unwahrscheinlicher wurde, der Vatikan tatsächlich viele der schlimmsten Naziverbrecher rettete.
Nachrichtendienstliche Quellen haben bestätigt, dass es hochrangigen Naziministern, öffentlich Bediensteten und sogar Ante Pavelic selbst mit Hilfe der „Rattenlinien“ des Vatikans gelang, unterzutauchen – eine Nachkriegsoperation zum Schutz der führenden Nazis. Zu dieser Zeit bezeichnete der Vatikan diese Entflohenen „Flüchtlinge“. Aber in Wirklichkeit waren sie gefühllose Mörder und
Schlüssel-Beteiligte in Hitlers Regime.
„Für flüchtige Nazis führten alle Wege nach Rom“, schrieben Aarons und Loftus.
„Es ist absurd zu glauben, dass 30.000 flüchtige Nazis auf den wenigen U-Booten, die am Ende des Krieges noch übrig waren, nach Südamerika entkamen oder dass sie alle ihre Reise selbst organisierten“, schrieben sie. „Draganovic’s Rattenlinie [der Name, der dieser Schmuggelaktion des Vatikans gegeben wurde] war echt professionell organisiert und garantierte, dass viele schuldige Kriegsverbrecher sichere Häfen erreichten. Vielfach landeten diese auch gar nicht in den entlegenen Dschungeln, sondern siedelten sich stattdessen in Großbritannien, Kanada, Australien und den Vereinigten Staaten an …“
Der Vatikan streitet durchaus nicht ab, dass er der oberen deutschen Führungsebene nach dem Krieg verholfen hatte, aus Europa zu fliehen. Aber er behauptet, die Identität der Menschen, denen er half, nicht gekannt zu haben. „Der Vatikan hat immer wieder betont, dass er keinerlei Kenntnis von der Identität jener hatte, die seine humanitäre Hilfe unverdient in Anspruch genommen hatten. Allerdings wussten einige einflussreiche Priester nicht nur, wer diese Nazis waren, sie suchten sie auch aktiv aus und ließen ihnen eine Sonderbehandlung angedeihen“ (Unholy Trinity).
Franz Stangl war einer der skrupellosesten und effizientesten Nazi-Offiziere während des Krieges und Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka. 1948 traf er in Rom ein, auf der Suche nach Alois Hudal, einem katholischen Bischof und Rektor eines der drei Seminare für deutsche Priester in Rom. Hudal war wohlbekannt im ganzen Nazi-Untergrund. „Stangl beschrieb die Macht und den Einfluss des ausgedehnten Schmuggelnetzwerks für flüchtige Nazis“, schrieben Aarons und Loftus.
Stangl bezeugte später, dass Hudal „die Unterkunft in Rom organisiert hatte, wo ich bis zur Fertigstellung meiner Papiere untergebracht war. Und er gab mir auch etwas Geld, denn es war mir fast nichts mehr übriggeblieben.“ Einige Wochen später „rief mich Hudal zu sich und gab mir meinen neuen Pass – einen Rotkreuz-Pass … [er] besorgte mir ein Einreisevisum für Syrien, einen Job in einer Textilfabrik in Damaskus und er überreichte mir ein Schiffsticket. Also fuhr ich nach Syrien.“
Es wäre schwer zu glauben, wäre es nicht so gut dokumentiert! Warum sollten hochrangige, im Vatikan beschäftigte katholische Führungskräfte einige der geistesgestörtesten und gefährlichsten Männer Nazideutschlands aus dem Land schmuggeln und in Sicherheit bringen? Dafür gibt es nur eine schlüssige Erklärung.
Simon Wiesenthal war letztendlich für die Wiederergreifung Stangls 1967 in Brasilien verantwortlich. Wiesenthal war davon überzeugt, dass Bischof Hudal auch hinter dem Schmuggel von Adolf Eichmann steckte, der berühmteste Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs und bekannt als „Architekt des Holocausts.“ Eichmann war nach dem Krieg aus Europa geflohen und blieb fünfzehn Jahre versteckt, bis er schließlich gefasst wurde.
„Wiesenthal glaubt, dass Hudal Eichmann mit einer neuen Identität eines kroatischen Flüchtlings namens ‚Richard Klement‘ ausstattete und ihn nach Genua schickte“, schrieben Aarons und Loftus. „Dort wurde Eichmann allem Anschein nach in einem Kloster, das unter der karitativen Leitung von Erzbischof Siri stand, versteckt, bevor er schließlich nach Südamerika geschmuggelt wurde.“ Die gesamten Reisekosten Eichmanns nach Südamerika wurden von der Caritas, einer katholischen Wohlfahrtsorganisation, getragen.
„Der offizielle Historiker des Vatikans, Pater Robert Graham, räumt ein, dass Hudal „einer Handvoll, lediglich einer Handvoll von Nazi-Kriegsverbrechern bei ihrer Flucht geholfen haben könnte“, schrieben Aarons und Lotus. „Als Eichmann gefasst wurde, wurde behauptet, er wäre durch Rom durchgereist und hätte Hilfe von Bischof Hudal erhalten. Hudal wurde dazu befragt und er sagte: „Ich weiß das nicht so genau; ich habe vielen Leuten geholfen und Eichmann könnte unter ihnen gewesen sein.“
Welch ein Eingeständnis!
„Wenn Eichmann ein Fall der unerlaubten Hilfeleistung gewesen ist, dann war er sicher nicht der einzige Fall. Hudal schien solche Fehler mit gewisser Regelmäßigkeit zu machen. Wiesenthal erinnert sich: ‚Während meiner Suche nach Eichmann fand ich heraus, dass viele [Kriegsverbrecher] in Klöstern gelebt und von Hudal falsche Papiere erhalten hatten‘, die sie als Flüchtlinge auswiesen. Eine Sache scheint jedoch sicher: Viele Kriegsverbrecher, die nach Südamerika entkamen, haben dankbar eingestanden, dass sie ihre Freiheit dem in Österreich geborenen Bischof verdankten“ (op.cit.).
Bischof Hudal war bekannt für seine Unterstützung der Nazis. Er unterstützte auch offen Adolf Hitler und während seiner Reisen nach Deutschland in den dreißiger Jahren animierte er deutsche Katholiken, dasselbe zu tun. In einer Ansprache in Rom sagte er, die Philosophie des Deutschen Reichs „stimme sowohl mit christlichen als auch mit nationalen Werten überein.“ 1936 veröffentlichte er sogar eine Abhandlung mit dem Titel Die Grundlagen des Nationalsozialismus, offiziell genehmigt von der Kirche und eine Ruhmesschrift für die Nazis.
„Augenscheinlich haben Hudals Sympathien für die Nazis seiner Karriere im Vatikan keineswegs geschadet“, schrieben Aarons und Loftus. „Trotz seiner zunehmend scharfen und öffentlich pronazistischen Ansichten wurde nichts unternommen, ihn zu disziplinieren oder von seinem mächtigen Posten zu entfernen. Vielmehr beförderte ihn der Vatikan im Juni 1933 vom Priester zum Titularbischof, eine außerordentlich seltene Ehre für einen relativ kleinen Rektor eines Priesterkollegs.“
Der Vatikan war sich bewusst, wer genau Hudal war und was er glaubte: Anstatt ihn zu rügen und zu entlassen, wurde er von Papst Pius XII. befördert. Warum?
„(Der Bischof der Wiener Erzdiözese) Jakob Weinbacher … hat keinen Zweifel daran, dass ‚Hudal [dem Papst] Pius XII. sehr nahe stand … sie waren Freunde.‘ … Weit entfernt davon, nur ein weiterer anonymer Kirchenmann in den Randzonen des Vatikans zu sein, ‚kann Hudal sehr wohl das Sprachrohr des Papstes in den deutschsprachigen Ländern gewesen sein.“
Stellen Sie sich das vor! Laut Berichten von offizieller katholischer Stelle und von Aarons und Loftus dokumentiert, war Hudal eng mit Papst Pius XII. befreundet!
Als sich abzeichnete, dass Deutschland den Krieg verlieren würde, entschloss sich Hudal, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Anstrengungen der Alliierten, Europa von den Nazis zu säubern, zu torpedieren. „Ich fühlte mich nach 1945 verpflichtet, mein gesamtes wohltätiges Werk hauptsächlich den früheren Nationalsozialisten und Faschisten zu widmen, besonders den sogenannten ‚Kriegsverbrechern‘“, sagte er. Aarons und Loftus schlussfolgern: „Die von Hudal selbsteingestandenen Unternehmungen sind um so brisanter, weil er mit dem vollen Einverständnis des Vatikans handelte.“
Wenn man bedenkt, wie nah Hudal dem Papst stand, ist es zweifellos richtig, Papst Pius XII. als den größten Nazi-Schmuggler am Ende des Zweiten Weltkriegs zu bezeichnen.
Kommt das überraschend? Nicht im Geringsten – nicht, wenn man berücksichtigt, dass Pius eine Schlüsselrolle im Aufstieg Adolf Hitlers und Nazi-Deutschlands spielte, und jener katholische Amtsträger war, der das Reichskonkordat zwischen Nazi-Deutschland und dem Vatikan vermittelte und auch jener katholische Würdenträger war, der dann als Papst Hitler während des Zweiten Weltkriegs moralische und geistige Unterstützung zukommen ließ.
Zudem überrascht es nicht im Mindesten, wenn man die Geschichte des Heiligen Römischen Reichs betrachtet und sich entsinnt, dass der Vatikan in den letzten 1.500 Jahren die schrecklichsten und zerstörerischen Regimes und Diktatoren zu seinem eigenen Vorteil unterstützt, mit offenen Armen aufgenommen und instrumentalisiert hat.
Überraschend hingegen ist die Tatsache, dass viele Menschen heutzutage die Existenz des Heiligen Römischen Reichs nicht mehr erkennen oder akzeptieren können. In Unkenntnis dieser Geschichte werden sie aus allen Wolken fallen, wenn sie sich wiederholt und die siebte Wiederauferstehung des Heiligen Römischen Reichs eintrifft. ▪
Wird fortgesetzt...