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Die beste Entschuldigung für einen Angriff ist eine gute Verteidigung
Wenn es darauf ankommt, eine verborgene Bedeutung in einem Text zu finden, dann geht der erste Preis sicher nicht an Ihre alten Deutschlehrer auf dem Gymnasium, sondern an die Verfassungsrechtler. Lassen Sie dieser Gruppe von Akademikern ein paar Jahrzehnte freien Lauf und sie könnten mit guten Gründen aus den Romanen von George Orwell kommen und das Warum für „Krieg ist Frieden“ oder „Freiheit ist Sklaverei“ erklären. Diese Verfassungsrechtler haben sieben Jahrzehnte lang an den angeblich „pazifistischen Verfassungen“ Japans und Deutschlands gearbeitet, was dazu geführt hat, dass beide Länder inzwischen wieder ihre Streitkräfte auch außer Landes einsetzen können. Und im März und April 2017 erscheint das vorher Undenkbare plötzlich ganz normal und die erwähnten Verfassungsrechtler haben das neueste Argument, das die militärische Aufrüstung ermöglicht und das nur mit einer kleinen Abänderung einer alten Volksweisheit: Die beste Ausrede für einen Angriff ist eine gute Verteidigung.
Oder mit anderen Worten gesagt, wie japanische und deutsche Politiker argumentieren: Um uns verteidigen zu können, brauchen wir eine ordentliche Offensive.
Am 30. März legte die in Japan regierende Liberale Demokratische Partei (LPD) dem japanischen Parlament einen Bericht vor, der zu einer Sondierung des „Potenzials für einen Gegenangriff“ für seine Streitkräfte zur Selbstverteidigung (Self-Defense Force [SDF]) riet. Als Grund dafür wurde die Bedrohung durch Nordkorea angegeben. In Japan wird also zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg wieder über den Einsatz von Angriffswaffen zur Selbstverteidigung debattiert.
Am 5. April gab dann die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bekannt, dass die Bundeswehr jetzt anfangen würde, „sich selbst ‚offensiv‘ zu verteidigen“, und zwar mit einer erweiterten Cyberabteilung von 13.500 Soldaten.
Bemerken Sie das Verhaltensmuster?
Aber bevor wir näher darauf eingehen, wollen wir die Zusammenhänge erklären: Nach dem zweiten Weltkrieg gaben sich Japan und in Deutschland neue Verfassungen. Das japanische Volk „würde für immer auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt als Mittel, internationale Streitigkeiten zu regeln, verzichten.“ In Deutschland wurde jedweder Akt, der … die friedlichen Beziehungen zwischen den Nationen stören könnte, für gesetzwidrig erklärt. Ihre Verfassungen sollten verhindern, dass sie wieder Streitkräfte für einen Angriff aufbauten. Stattdessen würden die Vereinigten Staaten ihre Interessen mit ihrem atomaren Schutzschild verteidigen.
Die japanische Ausrede
Japans Ausrede kam nur einen Monat nachdem es Anfang März seinen Verteidigungshaushalt erheblich aufgestockt hatte. Die Gruppe, die diese Empfehlung aussprach, bestand aus lauter ehemaligen Verteidigungsministern, stellvertretenden Verteidigungsministern und ehemaligen parlamentarischen Vizestaatssekretären.
„Japan sollte sich mit Langstrecken-Angriffswaffen ausstatten“, zitierte Bloomberg die Politikforschungsgruppe. „Nordkoreas provokative Haltung hat Formen angenommen, die Japan nicht mehr einfach so hinnehmen kann“, ließ die Gruppe verlauten. „Wir sollten keine Zeit mehr verlieren und unsere Abwehr gegen ballistische Flugkörper verstärken.“
Der ehemalige Verteidigungsminister Itsunori Onodera nannte Reportern nach dem Treffen die Gründe dafür: Japan würde sich gegen mehrfache Angriffe nicht verteidigen können. Er sagte: „Einen feindlichen Stützpunkt zu neutralisieren und so einen zweiten und dritten Abschuss von Raketen zu verhindern, liegt innerhalb des Bereichs der Selbstverteidigung“. Im Moment können sich die Japaner „wohl verteidigen, aber nicht zurückschlagen“, sagte der ehemalige Navy-Captain Carl Schuster dem CNN. Japanische Politiker glauben aber, dass sie zurückschlagen müssen, um sich richtig zu verteidigen.
Mit diesem schnellen Taschenspielertrick wird aus Verteidigung Angriff, und wie Renho Murata, der Vorsitzende der größten japanischen demokratischen Partei sich ausdrückte: „Die Grundpfeiler der friedlichen japanischen Nation „stürzen ein.“
Die deutsche Ausrede
Deutschlands Ausrede wurde am 5. April Wirklichkeit. Die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen verkündete offiziell einen „historischen Tag für die Bundeswehr“ und teilte ihren Zuhörern mit, dass in den ersten zwei Monaten etwa 280.000 Cyberangriffe auf die Bundeswehr verübt worden seien. Täglich würden die Netze und Waffensysteme der Bundeswehr tausendfach angegriffen, sagte von der Leyen. Es geht von der einfachen Spionage, Datenklau oder Zerstören bis zum Manipulieren und Beeinflussen
Kein Land kann es sich leisten, seine Cybersicherheit zu vernachlässigen. Aber hier kommt das Wichtigste direkt von Frau von der Leyen (Hervorhebung hinzugefügt):
Wenn die Netze der Bundeswehr angegriffen werden, dann dürfen wir uns auch wehren. Sobald ein Angriff die Funktions- und Einsatzfähigkeit der Streitkräfte gefährdet, dürfen wir uns auch offensiv verteidigen.
Marcel Dickow, Experte für Verteidigung und Cybersicherheit sagte der Irish Times, dass „jedes Cyberkommando, dass etwas taugt, sich nur dann verteidigen kann, wenn es auch weiß, wie man angreift – die Schwächen in seinen eigenen Netzwerken findet und auch die der anderen.“
Er hat wahrscheinlich völlig Recht, aber das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass die Aussage, dass man angreifen muss, um sich zu verteidigen, erst ein kleiner Anfang ist. Wie lange im Voraus kann man vorbeugende Maßnahmen treffen? Wer entscheidet, wo die Bundeswehr angreifen wird? Wer entscheidet, wann der Angriff zur Verteidigung nicht schon zum Angriff um seiner selbst willen geworden ist?
Um einen Politiker einer anderen Partei zu zitieren: Christine Buchholz von den Linken wetterte gegen diese Veränderungen: „Ich sehe kein Problem darin, wenn die Bundeswehr sich gegen einen Cyberangriff schützt, aber hier geht es doch darum, dass die Bundeswehr sich Zugang zu fremden Netzwerken verschafft. Dies ist eine Aufrüstung der Verteidigung im Cyberspace, die ich ablehne und für verkehrt halte.“
Es ist nicht so, dass diese Maßnahmen, die Japan und Deutschland zu ihrem Schutz ergreifen, unter normalen Umständen nicht vernünftig sein würden. Es ist nicht so, dass in einer Welt ständiger Kriege das die einzig vernünftigen Maßnahmen für Nationalstaaten sein würden, um sich gegen Feinde zu schützen. Es ist nicht nicht einmal, dass diese Ausreden für Angriffe keinen Sinn ergeben – das tun sie immer.
Der Grund, weshalb diese Ausreden, diese Vernunftgründe, so gefährlich sind, liegt in der Natur des Menschen. Nationale Eigenheiten, so unpolitisch korrekt sie sein mögen, gibt es und wird es immer geben – sei es nun durch Vererbung oder geografisch bedingt – und in Krisenzeiten treten sie besonders hervor. Es gab gute Gründe, die Verfassungen Japans und Deutschlands neu zu verfassen. Diese Dokumente, nur Worte auf Papier, wenn nicht erzwungen, sollten zur Kontrolle von Nationen dienen, die in ihrer Geschichte todbringende Kriege entfesselt haben. Wenn sie nun verworfen werden, was gerade passiert, was kann man dann anderes erwarten als eine Wiederholung der Geschichte?
Und es gibt noch einen anderen wichtigen Grund. Wovor die Posaune und ihr Vorgänger, die Reine Wahrheit schon seit dem Ende des zweiten Weltkrieges warnen, ist, dass „die Deutschen planen, es nochmal zu versuchen, um beim dritten Versuch dann endgültig zu gewinnen“ (aus einer Radiosendung vom 9. Mai 1945). Warum diese Vorhersage? Weil es so in Ihrer Bibel steht. Und weil die Bibel, egal was die Säkularisten sagen, eine Botschaft für den heutigen Tag enthält. Deutschland ist die führende Nation eines Machtblocks im Norden und Japan wird ein Teil eines Machtblocks im Osten sein.
Wenn also japanische und deutsche Politiker und Generäle, auch wenn sie noch so ehrlich sind, ihre Länder davon überzeugen wollen, dass sie zum Angriff übergehen müssen, anstatt sich nur zu verteidigen, dann sind sie nicht auf dem Weg zum Frieden. Sie befinden sich auf einem schlüpfrigen Pfad zum Krieg. ▪