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Die Bundeswehr auf ihrem Weg zurück auf deutsche Straßen
Was macht man, wenn man ein Gesetzt nicht ändern kann, von dem man denkt, es müsste geändert werden? Man definiert es neu. Jedes Kind, das die Anordnungen der Eltern vorsätzlich umgehen will, weiß, wie man mit Worten geschickt argumentiert, Schlupflöcher findet und den Ungehorsam rechtfertigt. Deutschland schlägt nun den gleichen Weg ein. Die „Eltern“ in diesem Fall waren die Gründerväter des modernen Deutschlands. Die gebrochene Vorschrift, wie sie im Grundgesetz steht, besagt im Wesentlichen: Die Bundeswehr darf im Landesinneren nicht eingesetzt werden und es muss eine Trennung zwischen Polizei und Streitkräften geben.
Verteidigungsminister Ursula von der Leyen hat ein Schlupfloch in einer Ergänzung dieses Gesetzes gefunden. Im aktuellen Weißbuch der Bundeswehr, das am 13. Juli veröffentlicht wurde, schrieb sie:
Ausdrücklich zugelassen in Artikel 35 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 des Grundgesetzes ist der Einsatz der Streitkräfte im Innern zur Hilfe bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen (Katastrophennotstand) auf Anforderung eines Landes oder auf Anordnung der Bundesregierung. Das Vorliegen eines besonders schweren Unglücksfalls kommt auch bei terroristischen Großlagen in Betracht. Durch das Bundesverfassungsgericht wurde dabei bestätigt, dass die Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte bei der wirksamen Bekämpfung des Unglücksfalls unter engen Voraussetzungen auch hoheitliche Aufgaben unter Inanspruchnahme von Eingriffs- und Zwangsbefugnissen wahrnehmen können.
Der Einsatz der Streitkräfte hat damit auch im Zusammenhang mit heutigen Bedrohungslagen zur wirksamen Bekämpfung und Beseitigung katastrophischer Schadensereignisse in den engen Grenzen einer ungewöhnlichen Ausnahmesituation nach der geltenden Verfassungslage seine Bedeutung. Es ist wichtig, an den Schnittstellen der im Katastrophenfall zusammenarbeitenden Bundes- und Landesbehörden weiter an einer guten Zusammenarbeit zu arbeiten und diese im Rahmen von Übungen vorzubereiten. Hierauf muss im Rahmen einer gemeinsamen verantwortungsvollen Sicherheitsvorsorge in unserem Land Verlass sein.
Ein erster, im April in Umlauf gebrachter Entwurf des Weißbuchs deutete an, dass eine Verfassungsänderung nötig sei, um Bundeswehreinsätze im Inneren zu ermöglichen. Dies löste vor allem in der SPD eine heftige Empörung aus, die eine solche Änderung grundlegend ablehnte. Aber die neue Version (oben zitiert) besagt, dass eine solche Änderung eigentlich überhaupt nicht nötig sei, weil Terroranschläge als „Unglücksfälle“ und als „Katastrophennotstände“ definiert werden können. Von der Leyen hat nicht klar definiert, unter welchen Bedingungen ein solcher Einsatz gewährleistet sein würde, da sie weiß, dass nach dem Buchstaben des Gesetzes diese Bedingungen fast nie zutreffen würden.
Im März erklärte der Politikredakteur der Zeitung Die Welt , was notwendig sei, um diese Voraussetzungen zu erfüllen:
[Gemäß dem Urteil des Verfassungsgerichtes in 2012] … müsse [es] ein „Ereignis von katastrophischen Dimensionen“ vorliegen. Nicht jede Gefahrensituation, „die ein Land mittels seiner Polizei nicht zu beherrschen imstande ist“, sei schon eine „ungewöhnliche Ausnahmesituation.“ Auf jeden Fall könne der Einsatz der Streitkräfte samt „spezifisch militärischer Abwehrmittel“ nur als „Ultima Ratio“ zulässig sein und müsse immer von der „Bundesregierung als Kollegium“ angeordnet werden – die Verteidigungsministerin allein ist dazu also nicht befugt.
Jüngstes Beispiel ist der Amoklauf vom 22. Juli in München. Als diese Nachrichten bekannt wurden, wurde die Bundeswehr wegen einer „unklaren Situation“ in Alarmbereitschaft versetzt, da viele glaubten, es würde sich um mehrere Schützen handeln. Klaus Bouillon, der Chef der Innenministerkonferenz, erklärt, warum es zur Alarmbereitschaft kam: „Hätte es in München eine Terrorlage mit drei Tätern an drei Orten gleichzeitig gegeben, vielleicht mit Geiselnahmen, dann wäre die Polizei sehr schnell an ihre Grenzen gestoßen.“
Aber nicht alle deutschen Staatsmänner sind der Meinung, dass eine solche Situation einen Militäreinsatz auf deutschen Straßen rechtfertigt. In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt nannte der Chef der deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, die Pläne, die Bundeswehr auf deutschen Straßen einzusetzen, ein Verstoß gegen die Verfassung: „Die Frauen und Männer, die unsere Verfassung gemacht haben, wussten genau, warum sie für den Streitkräfteeinsatz im Landesinnern enge Grenzen setzten. Diese Grenzen durch ein ‚Weißbuch der Bundeswehr‘ außer Kraft setzen zu wollen, ist nichts anderes als ein vorsätzlicher Bruch der Verfassung.“
Wendt erklärte, dass solche Einsätze seiner Meinung nach die Öffentlichkeit solchen Sachlagen gegenüber desensibilisieren könnten, was dann zu einer großen Gefahr werden könnte:
Und wie der Frosch, der im warmen Wasser langsam an die Hitze gewöhnt werden soll, wollen Politiker uns langsam an den rechtswidrigen Zustand gewöhnen, „nur ein bisschen Bundeswehr“ einsetzen, nur ein paar Feldjäger hier, ein paar Straßensperren dort. Das Signal ist verheerend: Schon beim ersten gelungenen Anschlag setzen wir das Wertvollste außer Kraft, was unsere Gesellschaftsordnung zu bieten hat, unser Grundgesetz.
Das Grundgesetz verbietet auch spezifisch die Vereinigung von Polizei und Militär. Um dies zu Umgehen sagt von der Leyen, Deutschland plant nicht, die Beiden zu vereinigen, sondern das Militär wird die Polizei lediglich unterstützen und das unter der Führung der Polizei. Wendt sagt es ist lächerlich zu denken, dass es bei den involvierten Kräften bei der vorgeschlagen Rangordnung bleiben wird: „Als ob Bundeswehrgeneräle sich beim örtlichen Polizeiführer melden und Befehle entgegennehmen würden.“
Trotz ähnlicher Proteste wie die von Wendt, haben Kanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen angekündigt, dass die Bundeswehr noch vor Ende 2016 mit der Polizei zusammen üben wird.
Einige Politiker der CDU und CSU haben dies bereits seit Jahrzehnten geplant. Und nun steht es vor einem Wendepunkt, erlaubt zu werden. Die Gefahr die viele fürchten ist, dass, wenn die Bundeswehr einmal auf den Straßen ist, sie auch dazu benutzt werden könnte, einem Diktator zum Aufstieg zu verhelfen oder dessen Macht trotz eines Widerstands zu sichern. Lesen Sie „Die Gefahr eines Bundeswehreinsatzes im Inneren“ um zu verstehen, warum das Grundgesetz den Einsatz der Bundeswehr im Landesinneren verbietet. ▪