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Die Rückkehr der NS-Karikaturen
Im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs wurden Juden mit großer Verachtung betrachtet und waren oft das Gesprächsthema am Esstisch oder in der Kneipe. Es gab Verschwörungstheorien, und fast alles wurde den Juden in die Schuhe geschoben. Diese Ressentiments haben in der Vergangenheit zu unglaublichen Untaten geführt, und jetzt scheinen ganz ähnliche Ressentiments immer wieder aufzutauchen.
Sicherlich gab es in der Geschichte und gibt es heute einige erfolgreiche Juden, aber manche glauben, dass diese wenigen Juden unsere ganze Welt ins Verderben steuern. Diesen Eindruck erweckt auch eine kürzlich erschienene Karikatur der Süddeutschen Zeitung.
Diese @SZ-Karikatur reproduziert mehrere antisemitische Topoi. Im antisemitischen Weltbild wird Juden – hier Selenskyj – eine weltumspannende Macht in Politik und Wirtschaft zugeschrieben. Es ist zudem die Figur des hinterlistigen Strippenziehers und die des Krisenprofiteurs. pic.twitter.com/Ekuaa22fBB
— Frederik Schindler (@Freddy2805) May 26, 2022
Die Karikatur, die sich am 26. Mai in den sozialen Medien verbreitete, zeigt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der sich bedrohlich über die auf dem Weltwirtschaftsforum versammelten Staats- und Regierungschefs beugt. Selenskyj schien die wahre Macht hinter all dem zu sein. Außerdem zeigte die Karikatur klischeehafte jüdische Merkmale wie eine Hakennase, große Ohren und Fettleibigkeit. Selenskyj sah verärgert und frustriert aus, als seien die führenden Politiker der Welt zu langsam, um seine Befehle zu befolgen.
Sicherlich darf man Selenskyjs Rolle und Herangehensweise an die Dinge kritisch sehen, aber ihn als weltbeherrschenden Juden darzustellen, um Nazi-Nostalgie zu wecken, ist sehr gefährlich.
Die SZ erntete viel Kritik, behauptete aber, die Karikatur basiere auf seiner Videoansprache an das Forum. Viele fragten sich jedoch, was die Botschaft für die über eine Million täglichen Leser der Zeitung sein sollte?
Remko Leemhuis, Direktor des American Jewish Committee (AJC) Berlin, sagte gegenüber der BILD: „Wir sind entsetzt, aber nicht wirklich überrascht, dass in der ,Süddeutschen‘ erneut eine eindeutig antisemitische Karikatur veröffentlicht worden ist. Leider müssen wir daher feststellen, dass nach den vorangegangenen Skandalen keinerlei Lernprozess stattgefunden hat oder vielleicht auch schlicht der Wille dazu fehlt.“
2014 veröffentlichte die SZ eine Karikatur, die Facebook-Chef Mark Zuckerberg als Krake mit traditionellen jüdischen Schläfenlocken und Hakennase zeigte. Wieder wurde das Bild eines weltbeherrschenden Wesens in den Köpfen der Betrachter geweckt. Natürlich hat Facebook nicht viel Gutes bewirkt, aber das Böse ausschließlich der jüdischen Rasse anzulasten weckt den Antisemitismus.
Die SZ hatte auch eine Karikatur, die den damaligen israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit einer Atombombe in der Hand bei dem Eurovision Song Contest 2018 darstellte. In jedem Fall muss die Karikatur verschiedene Genehmigungsstufen durchlaufen haben, bevor sie veröffentlicht wurde.
Antisemitismus ist weltweit besorgniserregend, aber in Deutschland hat er sich als besonders zerstörerisch erwiesen. Verschwörungstheorien sind wieder weit verbreitet, und in der arabischen und westlichen Welt flammen Ressentiments gegen die Nation Israel auf. Hat unsere Welt die Lektion aus der Geschichte gelernt, oder wird unsere Welt ihren verheerenden Fehler wiederholen? Unser Artikel „Die Minderheit, die die Gesellschaft so gerne hasst“ untersucht die Anzeichen, die zu einem noch schrecklicheren Holocaust führen könnten, die Ursachen für den Hass und warum wir selbst auf die kleinsten Warnzeichen achten sollten.
Dieser kurze Artikel wurde zuerst als Posaune-Kurzmitteilung veröffentlicht. Wenn Sie täglich aktuelle Nachrichten in Ihrem Posteingang erhalten möchten, melden Sie sich bitte hier an.