Die Stärke Putins ist die Schwäche des Westens – zu verantworten hat das auch Berlin
Die Bundesregierung sendet teils widersprüchliche, teils falsche Signale. Manche sprechen inzwischen – nicht zu Unrecht – von einem deutschen Sonderweg.
Wenn Wladimir Putin sich einen Westen wünschen könnte, dürfte das von ihm entworfene Bild der jetzigen Realität ziemlich nahekommen. Während die Geheimdienste und Militärs die Gefahr eines russischen Einmarschs für real halten und die Amerikaner bereits damit beginnen, Botschafterpersonal aus der Ukraine abzuziehen, macht die deutsche Politik das, was sie in diesen Tagen, die außenpolitisch brisanter kaum sein könnten, zu einer Art diplomatischen Kunstform entwickelt hat: Sie führt eine Debatte darüber, welche möglichen Sanktionen sie nicht gegen Moskau sehen will.
Nord Stream 2 zur Disposition stellen? Lieber nicht, sagen vor allem Teile der SPD, es gehe auch um deutsche Versorgungssicherheit. Russland vom Zahlungssystem Swift abklemmen? Das schade auch deutschen Wirtschaftsinteressen, heißt es im Gleichklang aus Koalitionsparteien und Opposition. Waffenlieferungen an die Ukraine, so wie es die Briten, Franzosen und natürlich die Amerikaner längst machen? Sei mit der historischen Schuld der Deutschen im Zweiten Weltkrieg nicht zu vereinbaren.
Man darf sich nicht wundern, wenn unsere Nachbarn im Osten inzwischen Befremden angesichts eines sich anbahnenden deutschen Sonderwegs äußern. Zweifel an der Westbindung deutscher Außenpolitik – es ist genau das, was die deutsche Diplomatie unbedingt immer vermeiden wollte. Geradezu absurd wird es, wenn SPD-General Kevin Kühnert ebenso leichtfertig wie öffentlichkeitswirksam warnt, man möge doch bitte schön „potenzielle internationale Konflikte nicht herbeireden“.
Der russische Präsident darf feststellen: Mit einer starken Reaktion des Westens, den er ohnehin für schwach hält, ist nicht zu rechnen. Dass Putin sich hier in relativer Sicherheit wiegen darf, dazu haben übrigens die Amerikaner selbst den größten Beitrag geleistet: Der US-Präsident hat bereits vor Monaten die größtmögliche Sanktion öffentlich ausgeschlossen: ein militärisches Eingreifen. Das kann er denken und sicherlich auch richtig finden. Es öffentlich zu sagen ist allerdings eine strategische Fehlleistung ersten Ranges.