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Donald Trump verlangt, dass Europa eine militärische Macht wird
Der Präsident der Vereinigten Staaten Donald Trump schockierte seine NATO-Verbündeten, weil er die Allianz wieder einmal in Frage stellte und Europa dazu zwingt, eine militärische Großmacht zu werden.
Wie allgemein bekannt ist, stellte Herr Trump bereits während seines Wahlkampfes die Effizienz der NATO in Frage. Aber im April sagte er dann plötzlich, die NATO sei nicht mehr obsolet. Die anderen NATO-Mitglieder hofften, das sei das Ende seiner verbalen Attacken auf die Allianz, aber bei dem Treffen am Donnerstag kehrte er wieder zu seinem ursprünglichen Standpunkt zurück. Foreign Policy berichtete:
In einer Rede zur Eröffnung des neuen NATO-Hauptquartiers rügte Trump die US-Verbündeten vor unangenehm berührten Staatschefs der anderen NATO-Staaten dafür, dass sie nicht genug Geld für die Verteidigung ausgaben. Während des Treffens entfachte er peinliche Auseinandersetzungen mit den anderen führenden Politikern, die betonten, die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa seien seit der Amtsübernahme Trumps äußerst angespannt.
Er beschimpfte seine Verbündeten wegen ihrer „chronisch zu geringen“ Verteidigungsausgaben mit Bemerkungen, die die Verbündeten, aber auch ehemalige Beamte und alterfahrene NATO-Experten aufs Äußerste verblüfften. …
Ein weiteres entscheidendes Signal war, dass Trump sich ausdrücklich weigerte, den Wert des Artikels 5 der NATO über die gemeinsame Verteidigung zu bestätigen, das Herzstück der Einheit und der Abschreckung der NATO seit ihrer Gründung im Jahr 1949. Dieser Artikel besagt, dass alle NATO-Mitglieder jedem Mitglied zu Hilfe kommen werden, wenn es angegriffen wird. Trump machte diese Bemerkungen vor einem Mahnmal des Angriffs vom 11. September 2001 – das einzige Mal in der Geschichte, dass die NATO den Artikel 5 aufrief, um Trumps Heimatstadt New York zu helfen.
Seine Weigerung, dieses Prinzip ausdrücklich zu befürworten, mag die Verbündeten der USA erschüttert haben, die bereits nervös geworden waren, weil Washington ihnen möglicherweise bei einem Angriff nicht zu Hilfe kommen würde.
Die ganze Existenz der NATO dreht sich um diese Selbstverteidigungsklausel – die Verpflichtung, einen Angriff auf eines der Mitglieder als einen Angriff auf alle Mitglieder aufzufassen. Herrn Trumps Weigerung, das zu unterstützen, bewegte den Geopolitikanalysten Peter Zeihan zu folgender Erklärung: „Im Grunde hörte der Nordatlantikpakt, die Grundlage der amerikanischen Sicherheit während der letzten sieben Jahrzehnte, am 25. Mai 2017 auf zu existieren.“
Er sagte auch: „Ich kann nicht genug betonen, dass der Bruch zwischen den Vereinigten Staaten und dem Rest der NATO, der jetzt während der Amtszeit Trumps entsteht, eine Position ist, die sich in Zukunft nicht ändern wird, auch wenn er nicht mehr Präsident ist.“
Wie er erklärt, ist Donald Trumps Ablehnung der NATO nur eine natürliche Fortsetzung der Politik von Barack Obama und sogar von George W. Bush. „Das ist Politik“, schreibt er. „Das ist parteiübergreifend. Was einmal getan ist, bleibt getan.“
Dieser Wechsel hat große Auswirkungen für Deutschland. Zeihan schreibt:
Es gibt keine Hoffnung für Polen ohne die Hilfe von Zehntausenden von deutschen Truppen, die auf polnischem Boden kämpfen. Dabei muss man bedenken, dass so viele Truppen in Deutschland gar nicht zur Verfügung stehen, und selbst wenn sie diese hätten, neigten die Deutschen historisch auch nicht dazu, Polen wieder zu verlassen, wenn sie einmal dort waren. Die deutsch-polnischen Beziehungen sind damit verwirrend kompliziert geworden. Jedes Mal, wenn Deutschland zu den Waffen griff, war das Ergebnis ein allumfassender europäischer Krieg. Es ist jetzt noch viel zu früh, das unvermeidlich zu nennen, aber die Ära des deutschen Pazifismus ist nun fast zu Ende, es sie denn, sie fühlten sich wohl dabei, dass russische Truppen nur ein paar hundert Kilometer von Berlin entfernt stehen.
Herr Trumps wichtigste Forderung an alle NATO-Mitglieder ist, dass sie mindestens 2 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben müssen. Alle NATO-Länder haben sich verpflichtet, das zu tun. Aber wenn sie das wirklich tun, dann würde Deutschland, Europas größte Volkswirtschaft, automatisch zu Europas vorherrschender Militärmacht.
Politico berichtet, dass Herrn Trumps Beamte sich dessen durchaus bewusst sind. „Berater des Weißes Hauses sagen, dass Trump besonders von Deutschland erwartet, eine Führungsrolle zu übernehmen, obwohl es sich gegen diese Forderungen sträubt“, schreibt die Zeitschrift. Politico zitiert eine anonyme offizielle Äußerung: „Deutschland kann nun wirklich nicht behaupten, es habe nicht genug Mittel dafür. Deutschland ist ein reiches Land. Trump will, dass es eine der führenden Nationen wird“ (Hervorhebung hinzugefügt).
Allerdings verweist Politico auch auf folgendes:
Jeder Aufruf Deutschlands von Seiten Trumps riskiert nicht nur, [die deutsche Kanzlerin Angela] Merkel zu brüskieren, die allgemein als die europäische Anführerin angesehen wird, sondern er würde auch die möglichen Bedenken der anderen europäischen Länder gegen ein stark militarisiertes Deutschland völlig außer Acht lassen.
„Ein plötzliches militärisches Erstarken Deutschlands hätte Auswirkungen auf den ganzen Kontinent und würde alte Dämonen wieder aufwecken“, sagte ein alterfahrener NATO-Beamter. „Und die Deutschen sind sich dessen wohl bewusst. Sie kennen die Auswirkungen.“
Man kann leicht mit Herr Trumps Kritik an der NATO sympathisieren. Es ist wahr, dass die USA in der Vergangenheit viel Geld für die Verteidigung Europas ausgegeben haben. Die gegenwärtige Allianz hat erhebliche Mängel. Aber Herr Trumps Lösung ist, Deutschland dazu zu bringen, eine militärische Großmacht zu werden.
Das ist gefährlich. Das sagte auch der deutsche Schriftsteller und Journalist Niklas Frank, als er unser Büro in Großbritannien Anfang letzter Woche besuchte.
Immer mehr Experten warnen davor, Deutschland zu militarisieren. Mehr darüber, warum das ein gefährlicher Trend ist, erfahren Sie in unserem Artikel: „Vertrauen Sie uns nicht!“ ▪