GARY DORNING/POSAUNE
Ein Teufelskreis: Die deutsch-russischen Beziehungen
Sie sind die besten Freunde. Sie sind die schlimmsten Feinde. Keine Beziehung zwischen zwei Ländern ist faszinierender als die von Deutschland und Russland. Und keine Beziehung ist wichtiger für die Zukunft der Welt.
Eine deutsch-russische Allianz würde Europa und Asien beherrschen. Zusammengenommen würden ihre Ressourcen jede Macht der Welt, sogar die Vereinigten Staaten, herausfordern. Deshalb war das erste Ziel der amerikanischen Außenpolitik im vorigen Jahrhundert sicherzustellen, dass kein Land und kein Bündnis ganz Europa und Westasien beherrscht. Es hat auch nie ein Land geschafft, dieses Territorium zu beherrschen. Aber eine Allianz zwischen Deutschland und Russland wäre fast zustande gekommen. Vielleicht hatte keine andere Beziehung so starken Einfluss auf die europäische Geschichte.
Heute zieht sich Amerika von der Weltbühne zurück und Europa beginnt, auf eigenen Beinen zu stehen. Folglich wird die Zukunft der Welt wieder einmal von den deutsch-russischen Beziehungen bestimmt. Dadurch wird die Geschichte dieser beiden Länder für alle wichtig.
Diese Geschichte zeigt, warum eine russisch-deutsche Allianz so besorgniserregend plausibel ist.
Jahrhundertelang war die Beziehung zwischen Russland und Deutschland dauerhaft unbeständig. Nur wenige Länder hatten noch engere Beziehungen. Von Zeit zu Zeit haben die beiden gegen ihre Nachbarn zusammengehalten. Russland wurde sogar in einer seiner glanzvollsten Perioden von einer Deutschen regiert. Allerdings hat sich Deutschland auch hin und wieder in Russlands Verderben verwandelt und war näher daran, es auszulöschen als kein anderes Land seit der mongolischen Invasion. Andererseits hat auch Russland das Ende für europäische Imperien bedeutet – der Moloch, der Druck auf die mehr als 5400 km lange gemeinsame Grenze ausübte, die es oft überschritt und alles auf seinem Weg vernichtete. Die Bösartigkeit dieser Konflikte war erschreckend.
Die historischen Kräfte, die dieses Muster von Anziehung und Abstoßung hervorgerufen haben, gibt es immer noch. Russland möchte auf die europäischen Experten zurückgreifen. Deutschland will Russlands Rohstoffe. Beide wollen friedlich miteinander auskommen, um ihre Macht und ihren Einfluss auf andere Regionen auszudehnen. Aber gleichzeitig stellt jeder von ihnen für den anderen eine größere Bedrohung dar. Es gibt keine leicht zu verteidigende geografische Barriere zwischen Deutschland und Russland – keine Gebirgsketten oder große Flüsse. Deshalb könnte ein schneller Schlag des einen den anderen leicht lahmlegen.
Daher die Geschichte von Furcht zusammen mit Freundschaft – dieses Muster setzt sich bis heute fort. Achten Sie auf dieses Muster in diesen sechs kurzen geschichtlichen Resümees:
1. Das Vermächtnis der Mongolen
Die vielleicht umstrittenste Thematik ist das Gebiet zwischen Russland und Deutschland. Um diese Thematik zu verstehen, müssen wir zurück ins zwölfte Jahrhundert. Viel von Russlands Schicksal, auch seine Beziehung zu Deutschland, wurde von einem Mann bestimmt. Temujin Borjigin wurde im Jahre 1162 geboren und war der zweite Sohn eines Stammeshäuptlings. Bereits als Kind verbannt und verarmt schien er zur Bedürftigkeit verurteilt zu sein. Stattdessen wurde er ein gerissener militärischer und politischer Anführer. Er vereinte die Mongolenstämme und nahm den Namen Dschingis Khan an. Dann begann er, Regionen außerhalb seines Reiches zu erobern.
Die Mongolen unterwarfen Imperien von China bis Osteuropa. Auch das Reich von Rus in der Umgebung von Kiew fiel. Jahrhundertelang beherrschten die Mongolen Russland. Die Russen gaben den Mongolen die Schuld daran, dass sie von Europa abgeschnitten waren und dadurch in der Entwicklung der Wissenschaften zurücklagen.
Aber die Mongolen und andere Volksstämme wie sie hinterließen auch Spuren in Deutschland. Schon lange vor den Mongolen waren nomadisierende Stämme in die eurasische Steppe eingefallen und hatten Europa bedroht. Ihr Gemetzel führte zur Entvölkerung der Gebiete im Osten Deutschlands. Die dortigen Herrscher waren eifrig bemüht, arbeitssame und wagemutige Menschen anzuwerben.
Schlacht zwischen Georgiern und Bergvölkern, 1826 (Heritage Images/Getty Images)
Die Deutschen füllten diese Lücke. Aus ihren florierenden Heimatländern strömten tausende nach Osten. Dieser Zustrom, auch Ostsiedlung genannt, führte zu riesigen deutschen Gemeinschaften in den Gebieten, die heute zu den baltischen Staaten, Polen, Rumänien und Bulgarien gehören.
Die Ostsiedlung führte zu einer Manie für den Osten und diese Region wurde zu Deutschlands Bestimmung. Diese Manie setzte sich fort bis in die Zeit von Hitler und Mein Kampf.
Die deutsch-russischen Beziehungen wurden in diesen Resten des mongolischen Reichs geboren. Aber die Deutschen waren nicht die einzigen, die in dieses Vakuum hineinströmten. Als die russische Macht gebrochen war, drängte das Königreich Polen und später die polnisch-litauische Nationengemeinschaft zusammen mit Schweden nach Osten. Diese Reiche bildeten eine geografische Trennung zwischen Deutschland und Russland.
Das Herzogtum von Moskau befreite sich im Jahre 1480 endgültig von der Herrschaft der Mongolen. Es vergingen viele Jahre, während es sich konsolidierte und wiederaufgebaut wurde. Zu der Zeit Peter des Großen im Jahre 1672 wurden die Russen wieder zu einer Großmacht und ihre Beziehungen zu Deutschland gewannen an Bedeutung.
2. Peter der Große
Peter näherte Russland an Europa an – buchstäblich. Er drängte das schwedische Reich zurück und besiegte die polnisch-litauische Nationengemeinschaft. Dann siedelte er Russlands Hauptstadt in diesem neu eroberten Territorium an und errichtete St. Petersburg am Ufer der Ostsee.
Peter die Große (Sergio Anelli/Electa/Mondadori Portfolio/Getty Images)
Verkleidet reiste Peter 1697 und 1698 inkognito durch Europa. Er wollte sich die westliche Gesellschaft ansehen und persönlich Experten rekrutieren, die mithelfen sollten, Russland zu modernisieren. Dank der Ostsiedlung bestand die Bevölkerung Moskaus zu dieser Zeit zu zehn Prozent aus Deutschen. Daher waren die germanischen Staaten des Heiligen Römischen Reichs für ihn der beste Ort, um fähige Arbeiter zu rekrutieren. Er trommelte Experten von überall in Europa und Deutschland zusammen und schloss Bündnisse mit den deutschen Fürstentümern ab. Seine Kinder heirateten alle in europäische Fürstenfamilien ein.
Die deutsche Expertise war dabei behilflich, den Zar „Peter den Großen“ groß zu machen. Und genau wie es auch in Zukunft sein würde, wurde die deutsch-russische Allianz als militärischer Geheimpakt abgeschlossen. Im Jahr 1732, sieben Jahre nach Peters Tod bildeten Österreich, Preußen und Russland die Allianz der Drei Schwarzen Engel, was sich auf die Nationalsymbole der drei beteiligten Staaten bezog. Alle drei einigten sich darauf, sich in die polnische Politik einzumischen und Polen daran zu hindern, weiter an Stärke zu gewinnen. Dieses Bündnis hatte sich jedoch bald zerstritten, als in Polen ein Bürgerkrieg ausbrach und die europäischen Mächte Partei ergriffen.
Aber bald zeigte sich auch die Instabilität von Russlands Beziehung zu Deutschland. Viele Leute in Russland fürchteten Deutschland – besonders den deutschen Staat Preußen, eine größere, aufsteigende Macht. Deutsche Berater hatten enormen Einfluss auf die russische Regierung. Viele Russen verübelten ihnen das. Deshalb putschte die antideutsche Fraktion 1741 gegen Peters einjährigen Enkelsohn, der damals den Thron innehatte. Er wurde durch Elisabeth ersetzt, eine von Peters Töchtern.
Die Beziehungen zu Deutschland verschlechterten sich über Nacht. Deutsche Berater wurden ausgewiesen. Als in Europa ein Krieg drohte, verbündete sich Elisabeths Russland mit Österreich und Frankreich – gegen Preußen.
Im Jahre 1756 brach der siebenjährige Krieg aus. Winston Churchill nannte ihn später den ersten richtigen Weltkrieg. In diesem Krieg kämpften Großbritannien und Preußen gegen Frankreich, Österreich und Russland. Großbritannien schlug sich wacker, aber Preußen wurde besiegt. 1762 sah sich der preußische König gezwungen aufzugeben. Er schrieb: „Wir müssen nun daran denken, durch Verhandlungen für meinen Neffen so viele Stückchen wie möglich von meinem Territorium vor der Habgier meiner Feinde zu retten.“
3. Katherinas Peitschenhieb
Dann kam, was die Preußen ein „Wunder“ nannten: 1762 starb Elisabeth. Sie hatte keine Kinder, also war ihr Neffe der Thronerbe.
Peter III. war der Sohn von Elisabeths Schwester, die nach Deutschland gezogen war und einen deutschen Herzog geheiratet hatte. Infolgedessen wurde Peter in Deutschland geboren und sprach besser Deutsch als Russisch.
Katharina die Große (Universal Images Group/Getty Images)
Plötzlich wechselte Russland wieder die Seite. Die russischen Soldaten hörten auf, in Preußen einzumarschieren und begannen, dem Land zu helfen. Preußen eroberte verlorenes Terrain zurück. Österreich sah sich gezwungen, Frieden zu schließen.
Sechs Monate später gewann Deutschland noch mehr Einfluss in Russland. Peter III. war kein beliebter Herrscher. Seine Frau Katharina half dabei, einen Putsch gegen ihn zu organisieren. Peter wurde verhaftet und später umgebracht. Katherina wurde nun rechtmäßig Zarin.
Die Herrscherin Russlands war jetzt kein Nachkomme der russischen Zarenfamilie mehr. Sie war nicht einmal ethnische Russin. Sie war Deutsche.
In wenigen Monaten hatten sich Russland und Preußen von Todfeinden in enge Verbündete verwandelt. Russland brauchte immer noch geschickte Arbeiter. Daher lud Katharina Europäer ein, in Russland zu leben und zugleich ihre eigene Kultur zu bewahren. Diese Einwanderer waren vom Wehrdienst und von vielen Steuern befreit. Das Angebot war an Deutschland gerichtet und die Deutschen kamen in Scharen. Als man in Russland Ende des 19. Jahrhunderts die erste Volkszählung veranstaltete, gaben etwa zwei Millionen Menschen Deutsch als ihre Muttersprache an.
Russland und Preußen kooperierten auch auf eine Weise, die modernen Lesern vertraut vorkommen wird: Sie teilten Polen unter sich auf. Russland, Österreich und Preußen teilten Polen in einer Reihe von Abtrennungen in drei Teile, bis Polen von der Landkarte verschwunden war.
Katharina war nicht einfach nur nett zu Preußen, weil sie Deutsche war. Auch sie wurde bekannt als „die Große“. Mit einem sicheren Bündnisvertrag mit Deutschland dehnte sich Russland anderswo weiter aus. Katarina drängte die Türken des Osmanischen Reichs zurück und eroberte Territorien im Kaukasus. Am Ende ihrer Herrschaft im Jahre 1796 hatte sie Russlands Territorium um mehr als 500.000 Quadratkilometer vergrößert.
4. Napoleons Pakt
Aber Deutschland war nicht die einzige europäische Macht, die mit Russland zusammenarbeitete. Bevor Katharina starb, hatte ein politisches Erdbeben begonnen, die Grundfesten Europas ins Wanken zu bringen. Seit 1789 wurde Frankreich von einer Revolution erschüttert. Dann zogen seine Armeen mit neuer Begeisterung in den Krieg. Als Napoleon Bonaparte 1799 das Kommando übernommen hatte, waren sie nicht mehr aufzuhalten. 1807 war Napoleon der Herr Europas und eines Großteils von Deutschland. Wenn Russland Abmachungen mit Europa machen wollte, war Napoleon nun eindeutig sein Partner.
1807 unterzeichneten Zar Alexander I. und Napoleon den Friedensvertrag von Tilsit. Er enthielt geheime Klauseln, die Europa zwischen Russland und Frankreich aufteilten. Es wurden geheime Abmachungen getroffen, dass Russland Frankreich gegen Großbritannien im Westen helfen würde, während Frankreich sich ebenfalls geheim verpflichtete, Russland im Osten gegen die Osmanen behilflich zu sein. Napoleon und Alexander besprachen sogar einen gemeinsamen Angriff auf Großbritannien in Indien. Aber diese Allianz zerbrach 1812, als Napoleon entschied, dass die Russen nicht genug gegen Großbritannien getan hätten und in Russland einmarschierte. Wieder einmal verwandelten sich Europa und Russland von Freunden mit einem Peitschenschlag zurück in Feinde.
Napoleon in Tilsit (Hulton Archive/Getty Images)
Gleichzeitig unterhielt Russland gute Beziehungen zu Deutschland. Viele der obersten Generäle Russlands waren Deutsche. Als Preußen mit Frankreich Frieden schloss, gingen etliche preußische Offiziere nach Russland, darunter auch der jetzt so berühmte Carl von Clausewitz. So konnten sie weiter Krieg führen.
Napoleons Feldzug gegen Russland scheiterte kläglich. Er und seine Verbündeten verloren hunderttausende von Soldaten. Beim anschließenden Gegenangriff marschierten riesige russische Armeen den ganzen Weg bis nach Paris. Die Erinnerung an sie jagte Europa in den folgenden Jahren immer wieder Angst ein.
5. ‚Das Geheimnis der Politik‘
Die Nachbeben der Napoleonischen Kriege erschütterten Europa noch jahrzehntelang. Großbritannien wurde zur größten Macht der Welt und trug zu einer Ära des Friedens bei, die bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert andauerte. In Deutschland sorgte Otto von Bismarck als preußischer Ministerpräsident 1862 dafür, dass sich nach vertrautem Muster wieder gute Beziehungen zwischen Deutschland und Russland entwickelten. Daher der bekannte Ausspruch von Bismarck: „Das Geheimnis der Politik? Schließen Sie ein gutes Abkommen mit Russland.“
Zu diesem Zweck handelten Deutschland, Österreich und Russland 1873 das Dreikaiserabkommen aus. Österreich verließ später das Bündnis, also schlossen Russland und Deutschland 1887 den Rückversicherungsvertrag ab. In diesem geheimen Vertrag verpflichten sich beide Länder, neutral zu bleiben, wenn eins der beiden sich in einen Krieg mit einer anderen größeren Macht verwickelte (mit einigen Ausnahmen). Deutschland ließ Russland auch freie Hand, sich am Schwarzen Meer auszudehnen. Nach Osten hin abgesichert, war das frisch vereinigte Deutsche Reich unter Preußens Führung in der Lage, sich zu etablieren und zur dominanten Macht in Europa zu werden.
Aber 1890 wurde Bismarck von dem neuen Kaiser Wilhelm II. von seinem Amt als Reichskanzler entbunden. Der Kaiser schwenkte sehr bald in seiner Russland-Politik um. Er fürchtete Russland und beneidete es um seine Herrschaft über Osteuropa. 1914 griff Deutschland schließlich Russland an.
Inspiriert von der Ostsiedlung wollte die deutsche Regierung ein Kolonialreich in Mittel-und Osteuropa errichten. Sowohl der Kaiser als auch der Chef des Generalstabs, Helmuth von Moltke malten sich einen Rassenkrieg aus, den Moltke als den „Kampf zwischen Teutonen und Slawen“ beschrieb. Das würde es Deutschland ermöglichen, seine „natürliche“ Position als Anführer der Slawen in Osteuropa einzunehmen.
1917 bekam Deutschland alles, was es wollte. Am 8. März stürzte die „Februarrevolution“ in St. Petersburg Russlands Romanow-Dynastie. Und Deutschland erkannte seine Chance.
6. ‚Typhusbazillus‘
Der deutsche General Erich Ludendorff schickte eine Einladung an den kommunistischen Revolutionär Wladimir Lenin, der in der Schweiz lebte. Deutschland würde Lenin eine sichere Durchreise durch Deutschland garantieren und ihm helfen, nach Russland zu gelangen.
Die Deutschen nutzten Lenin wie ein „Typhusbazillus“, wie Winston Churchill später sagte. Russlands neue Regierung führte nämlich weiter Krieg gegen Deutschland und die Deutschen hofften, Lenin würde das untergraben.
Es funktionierte besser, als sie es sich erträumt hatten. Am 6. November 1917 begann er die „Oktoberrevolution“. Die Kommunisten eroberten die Macht. Sehr bald unterzeichnete Lenin einen Friedensvertrag, mit dem Deutschland praktisch alles bekam, was es wollte.
Deutschland unterstützte Lenin auch weiterhin und half ihm, an der Macht zu bleiben. Wie der deutsche Außenminister Admiral Paul von Hintze im Juli 1918 sagte: „Die Bolschewiken sind die beste Waffe, um Russland in einem chaotischen Zustand zu halten, was Deutschland erlauben wird, so viele Provinzen aus dem russischen Reich herauszureißen, wie es will…“
So begann eine Beziehung, die noch jahrzehntelang andauern sollte.
Nach dem ersten Weltkrieg hatten Deutschland und Russland offiziell ein schlechtes Verhältnis. Viele russische Kommunisten wollten die Revolution nach Deutschland exportieren. Nach einem Umsturzversuch im November 1918 wies Deutschland das gesamte Personal der russischen Botschaft aus.
Aber inoffiziell gingen die Kontakte weiter. Die Verbindungen, die Lenin im November 1917 im eigenen Interesse mit den deutschen Militärs geknüpft hatte, sind wohl selbst nach dem Waffenstillstand beibehalten worden, wenn auch nur in spärlicher Form“, schrieb der Historiker Paul Johnson in Moderne Zeiten. Ihre Beziehungen folgten demselben Muster wie schon seit Jahrhunderten. Deutschland half Lenins Bolschewiken-Partei und sandte ihnen militärische Berater, Waffen und „im richtigen Augenblick auch Industrieexperten für den Bau neuer Rüstungsbetriebe.“ (ebd.)
(Roger Viollet/Getty Images)
Am 16. April 1922 unterzeichneten Deutschland und Russland den Vertrag von Rapallo. Oberflächlich betrachtet war es nur ein Standardvertrag zur diplomatischen Wiederannäherung zwischen zwei ehemals verfeindeten Ländern. Aber er ermöglichte eine viel engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland – eine Zusammenarbeit, die erst viel später aufgedeckt wurde. Deutschland würde militärische Forschung, Entwicklung und Ausbildung betreiben, die ihm im Versailler Vertrag am Ende des ersten Weltkriegs verboten worden waren – in Russland. Im Gegenzug würde Russland die deutsche Reichswehr ausbilden und fortschrittliche und verbesserte Militärtechniken mit Deutschland teilen. Deutschland würde geheime Stützpunkte, Fabriken und Flugfelder in Russland bauen.
Das war 20 Jahre bevor Deutschland gegen die Vereinigten Staaten Krieg führen würde. Adolf Hitler war 33 Jahre alt und hatte seinen Aufstieg zur Macht noch nicht einmal begonnen. Trotzdem hatten sich Russland und Deutschland schon gegen den Westen verschworen. Diese geheime Allianz war der Hauptgrund dafür, dass Deutschland urplötzlich so mächtig werden konnte, als Hitler 1933 Reichskanzler wurde.
Als sich der deutsche und der russische Außenminister am 23. August 1939 trafen, um Osteuropa unter sich aufzuteilen, war das wohl kaum der Beginn einer neuen Beziehung. „Zwei Jahrzehnte lang war bereits ein bösartiger Austausch unterirdisch geflossen“, schrieb Johnson. „Jetzt brach er endlich durch an die Oberfläche.“
Bekannt als Molotow-Ribbentrop Pakt oder Hitler-Stalin Pakt wurde dieses Abkommen als „Nichtangriffspakt“ bekannt gemacht. Er war genau das Gegenteil: Er legte fest, welche Teile Osteuropas Russland sich mit deutscher Einwilligung aneignen dürfte und umgekehrt. Genau auf die gleiche Weise wie schon Friedrich und Katharina und auch Napoleon und Alexander Europa vorher unter sich aufgeteilt hatten.
Das ebnete auch den Weg für eine weltweite kommunistische Unterstützung des Naziregimes. Stalin schickte Deutschland eine Million Tonnen Getreide, 900.000 Tonnen Öl sowie Eisenerz und andere Materialien und ließ dadurch zu, dass Russlands enormer Reichtum die deutsche Kriegsmaschinerie am Laufen hielt.
Aber wieder einmal gab es einen plötzlichen Umschwung in der Allianz. Am 22. Juni 1941 startete Hitler die Operation Barbarossa: Er marschierte in Russland ein. Stalin erhielt mindestens 80 Warnungen, dass Hitler ihm mit einem Dolchstoß in den Rücken fallen würde, aber wollte es einfach nicht glauben. Zu Beginn des Angriffs hatte Stalin scheinbar eine Art von Nervenzusammenbruch. Als die deutsche Wehrmacht ihren Sturmangriff begann, sendete eine russische Einheit eine Radiomeldung an ihren Kommandoposten, um über den Angriff der deutschen Armee Bericht zu erstatten und um Instruktionen zu bitten. Die Antwort war: „Sie sind ja wohl nicht ganz richtig im Kopf!“
Das moderne Muster
Wenn man die gegenwärtigen Ereignisse im Licht dieser Geschichte betrachtet, wird ihre Bedeutung klar. Das gleiche Muster entwickelt sich jetzt wieder: Die deutsche Expertise im Austausch für russische Rohmaterialien und eine Art Übereinkommen, sich gegenseitig nicht in die Quere zu kommen.
Russland hat schon eine Unterwasserpipeline für Erdgas, die direkt nach Deutschland führt. Jetzt ist es dabei, noch eine zweite zu bauen.
Die Pipeline ist der Inbegriff der alten deutsch-russischen Beziehungen. Russland benutzt sein Erdgas als Waffe. Es hat der Ukraine wiederholt den Gashahn zugedreht, um sie politisch zum Einlenken zu zwingen. Diese Waffe war aber bisher nicht besonders wirkungsvoll. Denn durch das Abschneiden der Gasversorgung der Ukraine wurden auch alle anderen Länder mit abgeschnitten, die ihr Gas über die Ukraine bezogen. Das war für viele Länder jenseits der Ukraine eine Provokation und Russland verlor dabei viel Geld.
Die neue Pipeline verwandelt die Gasversorgung in eine präzisere Waffe. Russland kann jetzt jedem osteuropäischen Land seiner Wahl das Gas abstellen, während es die anderen Länder über Deutschland weiterversorgt. Deutschland hilft Russland, Macht in Osteuropa auszuüben. Aus diesem Grund haben Politiker in Polen und Osteuropa sich nun angewöhnt, die Nord Stream 2 Pipeline die „Molotow-Ribbentrop 2 Pipeline“ zu nennen.
Die Nord Stream 2 Pipeline wird durch die Ostsee verlegt (AleXei Druzhinin/Tass/Getty Images)
Im Gegenzug erhält Deutschland billiges Erdgas und stillschweigend auch mehr Einfluss auf die Länder, die jetzt ihr Gas über Deutschland beziehen. Die Transportkosten über die neue Pipeline werden schätzungsweise etwa 40 Prozent geringer sein als über die früheren Überlandpipelines.
Deutschland profitiert sogar schon davon, bevor die neue Pipeline überhaupt fertiggestellt ist. „Zahlt sich die enge Anbindung der Energieversorgung Deutschlands an Moskau denn aus?“ fragte Bloomberg im April. „Daten der Zollbehörde der russischen Föderation zeigen, dass Deutschland wahrscheinlich weniger für das Erdgas des weltgrößten Exporteurs bezahlt als die meisten anderen Käufer“ (25. April). Bloomberg bemerkte, dass Deutschland im vergangenen Jahr eine Milliarde Dollar mehr für Gas ausgegeben hätte, wenn sein Gaspreis im gleichen Maße gestiegen wäre wie die Tarife Frankreichs und Italiens. Deutschlands wirtschaftliche Hochkonjunktur wird wieder einmal von billigen russischen Rohstoffen angetrieben.
Der Deal wurde gekonnt vom ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder eingefädelt, der gleich nach dem Ende seiner Kanzlerschaft bei der russischen Gasprom anheuerte, dem gigantischen, von der russischen Regierung kontrollierten Energieunternehmen. Seine Aufgabe war es, das Nord Stream 2 Projekt zu leiten. Inzwischen ist er der Aufsichtsratsvorsitzende der Rosneft, Russlands größter Öl-Firma – und der Erbe einer langen Tradition von führenden deutschen Politikern, die in Russland Karriere gemacht haben.
Russlands konventionelle Öl-und Gasressourcen werden ausgeschöpft. Um seine Gasversorgung so effektiv wie möglich als Waffe nutzen zu können, braucht Russland die Expertise des Westens. Deutschland liefert sie – zusammen mit anderen europäischen Ländern.
Von Anfang an waren Firmen wie die deutsche Wintershall und Frankreichs Total an den russischen Offshorebohrungen in der Arktis beteiligt. Aber U.S.-Sanktionen führten dazu, dass sie diese Beteiligung aufgeben mussten. Diese Sanktionen haben Russland von einem Teil der Expertise des Westens angeschnitten und verzögerten die Ölbohrungen in der Arktis und in anderen schwer erreichbaren Regionen, aber andere Kontakte gehen weiter. BP hält eine Beteiligung von 20 Prozent an Rosneft. Die italienische Eni S.p.A.- Partnerschaft wird ebenfalls fortgesetzt. Nachdem einige Großunternehmen ausfielen, haben kleinere Firmen die Lücke ausgefüllt. Deutschlands FMC-Technologies und Frankreichs Linde helfen bei Russlands Flüssiggasprojekt auf der Jamal-Halbinsel. Auch die Firma Shell begann im September mit Verhandlungen, um sich daran zu beteiligen. Das Jamal Projekt ist verhältnismäßig unbedeutend, aber es wird den russischen Firmen sehr wertvolle Sachkenntnisse über die Gewinnung fossiler Brennstoffe an unzugänglichen Orten vermitteln.
Abgesehen von Öl und Gas ist die deutsche Technologie auch auf anderen Gebieten sehr wertvoll. 80 Prozent der russischen Kraftwerke verwenden bei Siemens hergestellte Turbinen. Diese deutsche Firma war auch dabei behilflich, die russische Transportinfrastruktur zu modernisieren. Und das ist nicht ihre einzige Verbindung. BNE IntelliNews, eine Webseite spezialisiert auf Wirtschaftsnachrichten über neu entstehende Märkte schrieb: „Von allen in Russland arbeitenden Firmen hat Siemens wahrscheinlich die besten Beziehungen zum Kreml. Diese Beziehungen wurden von Gerhard Schröder, dem früheren deutschen Bundeskanzler und späteren Sportsfreund des [russischen] Präsidenten Wladimir Putin ausgehandelt. Er nahm persönlich an den Verhandlungen zwischen dem Vorstandsvorsitzenden von Siemens und Putin teil, als sie ihre Geschäfte besprachen“ (17. April).
Putin umarmt Schröder (Sean Gallup/Getty Images)
Von Zeit zu Zeit hat Schröder die Leitung übernommen, wenn es um die Herstellung von Verbindungen zwischen Deutschland und Russland ging.
Das war auch das Thema des Leitartikels der Septemberausgabe der Posaune von Chefredakteur Gerald Flurry: „Wir müssen sorgfältig beobachten, was gerade mit Deutschland und Russland geschieht“, schrieb er. Die gemeinsame Geschichte dieser beiden Länder bestätigt diese Warnung.
Herr Flurry wies darauf hin, welche Rolle Schröder bei der Organisation dieser Energieallianz mit Russland spielte, die im Grunde die NATO untergräbt. „Die Tatsache, dass [Putin und Schröder] so eng zusammenarbeiten, zeigt, dass sie sich darauf verständigt haben, die Nato zu zerschlagen“, schrieb er.
„Deutschland ist allen anderen Ländern in Europa haushoch überlegen und schikaniert viele dieser Länder und Völker“, schrieb er. „Es ist überaus beunruhigend, dass Deutschland mit all seiner Macht solche Beziehungen zu Russland unterhält…. Wir sollten genau beobachten, wie sich diese Situation entwickelt.“
Eine Warnung für die heutige Zeit
2008 fragte Herr Flurry: „Wussten Sie, dass Deutschland und Russland ihre vordringlichsten Differenzen wahrscheinlich schon beigelegt haben? … Ich glaube, dass Deutschlands führende Politiker sich schon auf einen Deal mit Russland geeinigt haben; ein moderner Hitler-Stalin Pakt, in dem Deutschland und Russland sich die Länder und Vermögenswerte untereinander aufteilen. So ein Abkommen würde jedes dieser Länder in die Lage versetzen, sich um andere Ziele zu kümmern. Jeder Deal, der so vielleicht zwischen Deutschland und Russland abgeschlossen wurde, ist ein Vorzeichen eines Krieges!“ (Posaune, November-Dezember 2008).
Deutschland hat nicht reagiert, als Russland in Georgien und in der Ukraine einmarschierte. Geheime Verträge und Abmachungen, um Länder unter sich aufzuteilen, mögen im modernen Amerika eigenartig klingen. Aber die Geschichte zeigt, dass sie ein regelmäßiger Bestandteil der Beziehungen zwischen Deutschland und Russland sind. Ein weiteres Geheimabkommen wäre einfach nur die Rückkehr zur Normalität.
Ihre Geschichte ist ein wichtiger Grund, das Verhältnis dieser beiden Länder zu beobachten. Aber auch die Bibel gibt uns eine Warnung. Jeremia 1 bezeichnet die kommende, von Deutschland angeführte europäische Supermacht als siedenden Kessel (Vers 13-15).
„Unter der Oberfläche ist das deutsche Volk voll von brodelnder Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Weltordnung“, schrieb Herr Flurry. „Die Deutschen ärgern sich über die USA und sind besonders wütend auf Präsident Trump. Der imperialistische Ehrgeiz, der Deutschland beide Weltkriege anfangen ließ, ist noch lebendig und wohlauf. Er kocht über!“ (ebd.)
Die Prophezeiungen warnen davor, dass ein von Deutschland angeführtes Europa dabei ist, überzukochen und dass sich seine Macht über die ganze Welt ausbreiten wird. Sie warnen auch vor einem „Fürsten von Rosh“ oder Russland (Hesekiel 38, 1-2), dessen Aggressionen gleichermaßen die ganze Welt in Mitleidenschaft ziehen werden.
Russische Panzer verlassen die Hauptstadt von Südossetien am 8. Oktober 2008 (Kazbek Basaev/AFP/Getty Images)
Unsere Broschüren enthalten eine ausführliche Erklärung dieser Prophezeiungen – und vieler anderer – und sie geben Ihnen einen Überblick über alles, was noch auf uns zukommt. Aber weil diese beiden Mächte immer mächtiger werden und beide sich gegen die Vereinigten Staaten stellen, haben wir schon seit langem vorhergesagt, dass das gleiche, schon vertraute Muster aus der Geschichte sich wieder einstellen wird.
Die Deutschen und die Russen unterzeichnen sehr wohl geheime Abmachungen, die jahrzehntelang im Untergrund bleiben. Moderne Beobachter möchten gerne glauben, dass alle Menschen den Frieden wünschen und dass alle Völker sich gut miteinander vertragen wollen. Die Geschichte offenbart etwas anderes. Die Völker wollen Macht und sie werden sich verschwören und Krieg führen, um sie zu erlangen.
Im Mai 1962 schrieb die Plain Truth – der Vorgänger der Posaune unter der Leitung von Chefredakteur Herbert W. Armstrong: „Wenn sich das von Deutschland beherrschte Europa voll etabliert hat, wird Deutschland bereit sein, mit Russland zu verhandeln und mit ihm Geschäfte zu machen – notfalls auch hinter dem Rücken seiner Verbündeten im Westen.“
Die Geschichte gibt uns eine unheilvolle Warnung vor den Ergebnissen solcher Geschäfte. Das deutsch-russische Verhältnis stand immer im Mittelpunkt der destruktivsten Konflikte der Menschheitsgeschichte.
Die Bibel gibt uns dieselbe Warnung vor den Resultaten solcher Geschäfte, aber sie enthält auch eine wundervolle Hoffnung. Herr Flurry schloss seinen Artikel folgendermaßen ab: „Die Menschen werden immer wieder vergeblich versuchen, Frieden zu schließen. Sie werden leiden müssen, bis Jesus Christus zurückkehrt… Aber seine Rückkehr wird geschehen, wenn diese deutsche Macht und diese russische Macht aufsteigen. Er sagte, er würde zurückkehren, bevor ein Krieg allem menschlichen Leben ein Ende setzt (Matthäus 24, 22). Die aufsteigenden Militärmächte Russland und Europa werden zum großen Teil der Grund sein, weshalb Christi Rückkehr notwendig sein wird.
„Gott will, dass wir Ihm erwidern. Er sagt, Er will uns helfen mit allem, was wir brauchen, wenn wir Ihm nur gehorchen. „Denn warum wollt ihr sterben, ihr vom Haus Israel?“ fragt Gott in Hesekiel 18, 31. Er will nicht, dass irgendjemand von uns leiden muss! Er ist sehr darum bemüht, uns die kommende, verheerende Gewalt zu ersparen und uns zu segnen.
„Wir müssen diese Prophezeiungen in der Bibel verstehen. Sie bereiten den Weg für das Zweite Kommen Jesu Christi auf diese Erde. Das bedeutet, dass alle schlechten Nachrichten bald aufhören werden. Er wird dieser Welt für immer Friede, Freude und Glückseligkeit bringen.“ ▪