Freispruch in eigener Sache
Der im Oktober zurückgetretene österreichische Ex-Kanzler Sebastian Kurz sah am Wochenende Grund zur Freude, wie er umgehend per Twitter mitteilte: Der Strafrechtler Peter Lewisch, so Kurz, habe ein Gutachten erstellt, aus dem hervorgehe, dass die Vorwürfe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen seine Person jeder Grundlage entbehrten. Kurz bezog sich mit seiner Meldung in eigener Sache auf ein von der ÖVP in Auftrag gegebenes Privatgutachten, in dem sich der Wiener Jurist Lewisch mit dem Verdacht befasst, Kurz sei Mitwisser und treibende Kraft in jenem Komplex von mutmaßlicher Inseratenkorruption, frisierten Umfragen und gefälschten Rechnungen, die letztlich zu seinem Rücktritt führten. Die WKStA ermittelt gegen Kurz und ein knappes Dutzend weitere Personen wegen des Verdachts der Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung.
Die ÖVP hatte das 17-seitige Papier, das in Österreich als Versuch der Beeinflussung von Justiz und öffentlicher Meinung durch Pressearbeit gewertet wird, zahlreichen Medien dem Vernehmen nach für die Veröffentlichung zu Wochenbeginn angeboten. Es war aber bereits am Samstag verbreitet und teils hämisch kommentiert worden. In dem vom ÖVP-Anwalt Werner Suppan initiierten Gutachten kommt Lewisch zu dem Schluss, die WKStA habe eigenmächtig entschieden, welche Inserate dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung dienten - und welche nicht. Der Vorwurf, via exzessiver Schaltung von Anzeigen etwa durch das Finanzministerium eine entsprechend positive Berichterstattung bewirkt zu haben, sei in Wahrheit eine "sozial-adäquate Verhaltensweise, die außerhalb der Korruptionstatbestände" liege. Lewisch vergleicht das Vorgehen, das die Ermittler als Untreue werten, mit einem Theaterdirektor, der eine politisch gefällige Stückauswahl treffe, um damit mehr Subventionen zu erhalten.