Sefa Karacan/Anadolu Agency/Getty Images
Sebastian Kurz: Der Aufstieg eines starken Mannes in Österreich
Am 15. Mai kündigte Österreich an, dass es im Oktober neue Parlamentswahlen abhalten würde. Das Ergebnis wird wahrscheinlich eine Koalition sein, an der auch die extreme Rechte beteiligt ist.
Am 13. Mai wurde der Außenminister Sebastian Kurz, der neue Star der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), zum Parteichef der ÖVP gewählt. Kurz verfügt über mehr Macht als irgendein anderer Parteichef vor ihm. Er wird wahrscheinlich eine Koalition mit den Populisten Österreichs, der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) eingehen, deren Beliebtheit wegen der Flüchtlingskrise stark zugenommen hat.
Reinhold Mitterlehners Rücktritt als Chef der Österreichischen Volkspartei vor zwei Wochen machte den Weg frei für den Aufstieg von Kurz. Mitterlehner war zurückgetreten, weil er mit dem Machtkampf innerhalb seiner Partei nicht mehr fertig werden konnte. Kurz hat nun gute Chancen, der jüngste Regierungschef Europas zu werden.
Am 14. Mai stellte Kurz seine Partei vor die Wahl: Entweder sie statteten ihn als Parteivorsitzenden mit besonderen Machtbefugnissen aus oder sie müssten die nächsten Wahlen ohne einen klaren Anführer bestreiten. Die ÖVP entschied sich dafür, seine Bedingungen zu erfüllen. Zu diesen Bedingungen zählen, dass er als Regierungschef seine Minister selbst bestimmen kann und auch freie Hand hat, eigene Kandidaten für das Parlament zu nominieren (inklusive Außenseiter seiner Partei). Kurz sagte, dass seine Partei bei den nächsten Wahlen mit einem neuen Namen antreten würde: Liste Sebastian Kurz – Die neue Volkspartei.
Der Korrespondent von Spiegel Online in Wien verglich die von Kurz neu gewonnenen Rechte mit denen des ungarischen Premierministers Viktor Orbán. Orbán werden undemokratische Reformen und eine Beschneidung der Pressefreiheit vorgeworfen. Der Korrespondent bemerkte, dass in mancher Hinsicht auch die ÖVP weniger demokratisch wird.
Kurz hatte sich gegen den derzeitigen Koalitionspartner, die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ), ausgesprochen, deren Parteichef Bundeskanzler Christian Kern ist. Einen Tag später verkündeten beide Parteien das Ende der Koalition und forderten Neuwahlen im Oktober.
Kurz ist im Moment der beliebteste Politiker in Österreich und hat eine bemerkenswerte Karriere hinter sich. 2013 erhielt er die Aufmerksamkeit der Welt als er der jüngste Außenminister aller Zeiten wurde. Letztes Jahr schaffte er es mit seiner Lösung der Flüchtlingskrise in die internationalen Schlagzeilen: Er schlug vor, ein Auffangzentrum für Flüchtlinge auf einer Mittelmehrinsel einzurichten. Auch wenn der Vorschlag abgelehnt wurde, so gefiel er doch in der österreichischen Öffentlichkeit und auch anderen europäischen Politikern, die sich wünschen, ihre Regierung würde schärfer auf die Krise reagieren.
Die Wahl am 15. Oktober wird im Wesentlichen eine Wahl zwischen Kurz und dem gegenwärtigen Kanzler Kern sein, aber wie Politico anmerkt: Die wichtigste Frage ist vielleicht, welche der beiden Parteien nachher eine Koalition mit der populistischen FPÖ eingehen könnte. Politico schreibt:
Die Entscheidung der großen Parteien Österreichs, ihre Koalition zu beenden und im Herbst Neuwahlen zu veranstalten, verleiht der rechtsgerichteten Freiheitlichen Partei die beste Chance in fast zwanzig Jahren, Teil der Regierung zu werden oder diese möglicherweise sogar anzuführen.
Auf die Frage, welche Partei eher eine Koalition mit Österreichs Populisten eingehen würde, stellte Politico fest: „Wenn die Geschichte ein Leitfaden ist, dann wäre es Kurz. Die ÖVP hat das Tabu doch schon gebrochen, als sie im Jahr 2000 mit den Populisten regierte. Es gibt daher keinen Grund anzunehmen, dass sie das nicht wieder tun wird.“ Außerdem passt das Parteiprogramm von Kurz viel besser zu der Denkweise der Populisten. Es sind jedoch noch etliche Monate bis zu den Wahlen und es kann immer noch Überraschungen geben.
Wie die Wahlen auch immer ausgehen mögen, ein klarer Trend ist zu beobachten: Die österreichischen Wähler schließen sich dem Rest Europas an und wenden sich immer mehr den populistischen Anführern zu. Sie hätten gern jemanden wie den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der radikale Veränderungen beim politischen Establishment verspricht. Vor nicht allzu langer Zeit sahen wir einen ähnlichen Trend, der zum Aufstieg Adolf Hitlers und zum zweiten Weltkrieg führte. ▪