Jake weirick/Unsplash
Wer und was ist Gott? (Erster Teil)
Fortgesetzt von Wie die sieben Geheimnisse offenbart wurden (Fünfte Teil)
Es war in Neu-Delhi, vor einigen Jahren. Von einer Privatkonferenz mit der indischen Ministerpräsidentin Indira Gandhi kehrte ich in mein Hotel zurück. Und wieder fielen mir, wie schon so oft in Indien, die Kühe und Ochsen auf, die durch die Straßen streunten. Rinder frei auf Stadtstraßen umherlaufend, das hatte ich noch in keinem anderen Land der Welt gesehen.
„Laufen diese Rinder denn nicht weit vom Heimatstall fort?“ fragte ich meinen Chauffeur.
„O ja“, sagte er.
„Aber wie finden die Besitzer sie dann wieder, so dass sie sie nach Hause treiben können, wenn sie durch viele Straßen weit weg laufen?“
Der Chauffeur lächelte. „Die Besitzer suchen sie gar nicht. Die Tiere kennen ihren Heimatstall. Sie finden abends ganz allein nach Hause.“
Da fiel mir augenblicklich die Stelle im ersten Kapitel des Buches Jesaja ein, die mir noch nie so deutlich, so bildhaft vor Augen geführt worden war:
„Höret, ihr Himmel, und Erde, nimm zu Ohren, denn der Herr redet! Ich habe Kinder großgezogen und hochgebracht, und sie sind von mir abgefallen! Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt’s nicht, und mein Volk versteht’s nicht. Wehe dem sündigen Volk, dem Volk mit Schuld beladen, dem boshaften Geschlecht, den verderbten Kindern, die den Herrn verlassen, den Heiligen Israels lästern, die abgefallen sind!“ (Jesaja 1, 2-4.)
Gemeint war hier das alte Israel, ein Volk, dem sich Gott schon oft durch viele Zeichen und Wunder offenbart hatte. Und wieviel weniger wissen dann erst andere Nationen über Gott – wieviel weniger wissen sie, wer und was Gott ist!
Gleichwohl: Auch sie sind Menschen, genau wie die Israeliten. Wichtig gleich hier zu Beginn dieses Kapitels: Gott bezeichnet diese Menschen als seine eigenen Kinder. Viele Menschen sagen: „Gott erscheint mir einfach nicht als Realität.“ Gott stellt für sie ein großes Geheimnis dar. Ihre leiblichen Väter sind ihnen kein Geheimnis, sie sind real für sie.
Warum erscheint Gott oft als unwirklich?
In diesem Kapitel möchte ich dazu beitragen, Ihnen, dem Leser, Gott genauso als Wirklichkeit nahezubringen wie Ihren leiblichen Vater. Gott offenbart sich uns in der Bibel. Falls wir dies wirklich verstehen wollen, wird er für uns zu einer Realität werden.
Über die Völker des Römischen Reiches inspirierte Gott den Apostel Paulus zu schreiben:
„Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart über alles gottlose Wesen und alle Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit niederhalten. Denn was man von Gott erkennen kann, ist unter ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart. Denn Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit [das Geistliche], wird seit der Schöpfung der Welt ersehen aus seinen Werken [am Physischen], wenn man sie wahrnimmt, sodass sie keine Entschuldigung haben. Denn obwohl sie von Gott wussten, haben sie ihn nicht als Gott gepriesen noch ihm gedankt, sondern sind dem Nichtigen verfallen in ihren Gedanken, und ihr unverständiges Herz ist verfinstert. Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden“ (Römer 1, 18-22).
Den Milliarden, die jetzt auf Erden leben, mangelt es nicht nur an der wichtigsten aller Erkenntnisse, nämlich dem Wissen darüber – wer und was Gott ist – sie scheinen es auch gar nicht wissen zu wollen. Bewusst verzichten sie auf die allerwichtigste Erkenntnis, die allerwichtigste Beziehung, die im menschlichen Leben möglich ist.
Erstaunlich – aber wahr!
Woher kommt dieser bewusste Verzicht auf des Menschen wichtigste Beziehung? Dafür gibt es nur eine einzige Erklärung: Die ganze Welt ist verführt (Offenbarung 12, 9). Und die Tatsache, dass diese weltweite Verführung existiert, belegt die Tatsache, dass es einen großen Erzverführer gibt. Davon später mehr.
Gott für die Alten unwirklich
Dadurch, dass der erste geschaffene Mensch, Adam, vom verbotenen Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen aß, verwarf er Gott als Schöpfer. Gewiss ist, dass Gott einiges über sich Adam offenbart hatte, ein bestimmtes Maß an Wissen.
Trotzdem hatte sich Adam von Gott, seinem Schöpfer, abgeschnitten. Zweifellos ist einiges von dem Wissen, das Gott Adam zukommen ließ, danach viele Generationen lang vom Vater an den Sohn weitergegeben worden. Jesus nennt Abel, Adams zweiten Sohn, den „gerechten Abel“. Durch die Hinopferung eines Lammes tat er das, was recht war. Immer wieder gab es Gerechte: Henoch, der „mit Gott wandelte“; Gott sprach zu Noah, der auf Gottes Weisung die Arche baute.
Nach der Sintflut belegen historische Quellen, dass Sem, einer der Söhne Noahs’ gewisse Kenntnisse über den wahren Gott besaß. Doch ohne Zweifel war das Wissen um Gott im Lauf der Generationen langen Überlieferung stark verfälscht worden.
Nimrod, wie im vierten Kapitel dieses Buches geschildert, erhob sich praktisch selbst zum Gott. In den kommenden Geschlechtern und Jahrhunderten ist die Kenntnis des wahren Gottes fast völlig untergegangen. Die alten heidnischen Völker machten sich viele verschiedene Götzen aus Ton, Holz, Stein und anderen Stoffen. Viele Götzenbilder sind von Archäologen ausgegraben worden und stehen heute in Museen. Wie Paulus schreibt: Sie beteten die Schöpfung an, nicht den Schöpfer (Römer 1, 25).
Das Gottesbild im ersten Jahrhundert
Wenn wir nun auf das Neue Testament sehen, gewinnen wir einen Einblick in die damalige Unwissenheit über Gott. Die großen Gelehrten des ersten Jahrhunderts waren die Athener Intellektuellen. Einige von ihnen setzten sich in Athen mit dem Apostel Paulus auseinander.
„Einige Philosophen aber, Epikureer und Stoiker, stritten mit ihm. Und einige von ihnen sprachen: Was will dieser Schwätzer sagen? Andere aber: Es sieht aus, als wolle er fremde Götter verkündigen. Er hatte ihnen nämlich das Evangelium von Jesus und von der Auferstehung verkündigt. Sie nahmen ihn aber und führten ihn auf den Areopag [auf den Marshügel] und sprachen: Können wir erfahren, was das für eine neue Lehre ist, die du lehrst? …“
„Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, dass ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt. Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde … [gibt] jedermann Leben und Odem … Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen … Denn in ihm leben, weben und sind wir …“ (Apostelgeschichte 17, 18-19; 22-26; 28).
Und was ist mit den großen Gelehrten der westlichen Welt in unserer heutigen Zeit? Gerade die Hochgelehrten, sollte man meinen, müssten doch wissen, wer und was Gott ist! Man frage hundert Universitätsprofessoren, wahllos herausgegriffen: „Glauben Sie an Gott?“ Drei, vier würden vielleicht antworten: „Ich glaube grundsätzlich an die Existenz eines Gottes – als ‚erste Ursache‘“. Aber sie können einem nicht sagen, wer oder was Gott ist! Sie können einem nicht sagen, wie Gott aussieht! Gott ist für sie keine echte Realität. Mit anderen Worten: Er ist für sie ein Geheimnis. Weitere sechs oder acht der Befragten werden sich wahrscheinlich als Agnostiker bekennen – als jemand, der sich letztendlich nicht „im Klaren“ darüber sei, ob es Gott gibt oder nicht.
Wie ich bereits zum Ausdruck brachte, ist Bildung im Wesentlichen nur noch eine Sache des Erlernens von vorgegebenem Wissen. Das Kind in der Schule, der Student auf der Universität bekommt vorgefasste Denkgebäude, Ideologien, eine Mischung aus Fakten und Fabeln eingetrichtert. Und beurteilt wird der Lernende danach, wie gut er sich die Lehrinhalte – ob richtig oder falsch – zu eigen gemacht hat, sich gemerkt hat und schriftlich und mündlich wiedergeben kann.
Im modernen Bildungswesen hat die Fabel der Evolutionstheorie allgemeine Verbreitung gefunden. Evolution ist der Versuch des Atheisten, die Existenz einer Schöpfung ohne Präexistenz eines Schöpfers zu erklären; es wird versucht, die Existenz Gottes dadurch zu umgehen. Man verblendet sich selbst gegenüber diesem Geheimnis, indem man versucht, die Existenz Gottes zu leugnen. ▪
Fortgesetzt in Wer und was ist Gott? (Zweiter Teil)